Kündigung aktuell

Tankgutscheine und Werbeeinnahmen statt Arbeitslohn sind beitragspflichtig

BSG Urteil vom 23.02.2021, B 12 R 21/18 R

Tankgutscheine und Einnahmen aus der Vermietung von Werbeflächen, die an Stelle des Bruttoarbeitslohns als neue Gehaltsanteile bezahlt werden, sind sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt und unterliegen der Beitragspflicht.

Vereinbart ein Arbeitgeber mit den Arbeitnehmern einen teilweisen Lohnverzicht und gewährt im Gegenzug an Stelle des Arbeitslohns Gutscheine und zahlt Miete für Werbeflächen auf den Kraftfahrzeugen der Arbeitnehmer, handelt es sich dabei sozialversicherungsrechtlich um Arbeitsentgelt. Dieses umfasst grundsätzlich alle im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden geldwerten Vorteile. Ein solcher Zusammenhang ist immer anzunehmen, wenn der ursprüngliche Bruttoarbeitslohn rechnungsmäßig fortgeführt wird und stattdessen als Geldsurrogat Tankgutscheine und Werbeeinnahmen als Gehaltsanteile bezahlt werden. Es ist unerheblich, dass die Werbeeinnahmen auf eigenständigen Mietverträgen mit den Arbeitnehmern beruhten.

Bei Tankgutscheinen handelt es sich auch nicht um einen Sachbezug, weil sie als Geldsurrogat teilweise an die Stelle des wegen Verzichts ausgefallenen Bruttoverdienstes getreten sind. Die steuerrechtliche Bagatellgrenze kommt daher nicht zur Anwendung.

Arbeitszeugnis nach Vergleich im Kündigungsschutzverfahren

LAG Düsseldorf Urteil vom 12.01.2021, 3 Sa 800/20

Vereinbaren die Vertragsparteien zur Beendigung eines Kündigungsschutzverfahrens in einem Vergleich vor dem Arbeitsgericht die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Erteilung eines "qualifizierten wohlwollenden Arbeitszeugnisses", kann sich dies in der Benotung „zu unserer vollen Zufriedenheit“ erschöpfen.

Die Gesamtbewertung „zu unserer vollen Zufriedenheit“ entspricht der Gesamtnote „befriedigend“, teilweise aber auch einer leicht überdurchschnittlichen Zwischennote "voll befriedigend", "gehobenes befriedigend" oder "gutes befriedigend" und kennzeichnet damit in der Regel eine "gut durchschnittliche" Gesamtleistung. Diese Benotung verstößt nicht gegen eine Wohlwollensverpflichtung im gerichtlichen Vergleich, zumindest wenn das Zeugnis an sich zwischen den Notenstufen „gut“ und „befriedigend“ bewertet wird.

Es ist grundsätzlich Sache des Arbeitgebers, das Zeugnis im Einzelnen zu verfassen. Die Formulierung und Ausdrucksweise steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Als Bewerbungsunterlage des Arbeitnehmers und Entscheidungsgrundlage für die Personalauswahl künftiger Arbeitgeber muss das Zeugnis inhaltlich wahr und zugleich von verständigem Wohlwollen gegenüber dem Arbeitnehmer getragen sein. Es darf dessen weiteres Fortkommen nicht unnötig erschweren. Es kann und hat aber nur im Rahmen der Wahrheit wohlwollend zu sein.

Allerdings hat ein Arbeitnehmer, dem ein einwandfreies Verhalten und (zumindest leicht) überdurchschnittliche Leistungen attestiert werden, einen Rechtsanspruch auf den Ausspruch von Dank und guten Wünschen für die Zukunft im Arbeitszeugnis, soweit dem nicht im Einzelfall berechtigte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen. Dies folgt aus dem Wohlwollensgebot und die Wahrheitspflicht steht dem nicht entgegen (anders: BAG Urteil vom 11.12.2012, 9 AZR 227/11).

Ein Rechtsanspruch auf die Äußerung eines - tatsächlich nicht vorhandenen - Bedauerns über das Ausscheiden des Arbeitnehmers besteht aber nicht (so auch: BAG Urteil vom 11.12.2012, 9 AZR 227/11).

Zurückweisung der Kündigung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)

BAG Urteil vom 05.12.2019, 2 AZR 147/19

Nach § 174 BGB ist eine Kündigung, die ein Bevollmächtigter erklärt, unabhängig vom Bestehen einer Vollmacht und ohne die Möglichkeit einer Heilung oder Genehmigung unwirksam, wenn der Bevollmächtigte weder eine Vollmachtsurkunde vorlegt noch die Bevollmächtigung dem Kündigungsempfänger zuvor bekannt gegeben worden ist, und der Gekündigte die Kündigung aus diesem Grund unverzüglich zurückweist.

Nach seinem Wortlaut gilt § 174 BGB unmittelbar lediglich für das Handeln eines Vertreters aufgrund einer durch Rechtsgeschäft erteilten Vertretungsmacht. Allerdings ist die Vorschrift analog auf Fälle anzuwenden, in denen einerseits für den Empfänger einer Kündigung eine vergleichbare Unsicherheit über die vom Vertreter in Anspruch genommene Vertretungsmacht besteht und andererseits die Vertretungsmacht auf einer Willensentscheidung des Vertretenen beruht, die von ihm gegenüber dem Empfänger der Kündigung nachgewiesen werden kann. § 174 BGB findet deshalb analoge Anwendung auf Kündigungen, die ein abweichend von der gesetzlichen Grundregel der §§ 709, 714 BGB allein vertretungsberechtigter Gesellschafter im Namen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts vornimmt.

Das bedeutet, der Arbeitnehmer kann eine Kündigung mit der Folge der Unwirksamkeit zurückweisen, wenn sie nicht von allen Gesellschaftern einer GbR unterschrieben wurde.

Die Zurückweisung muss aber unverzüglich erfolgen. Dem Empfänger der Kündigung steht eine gewisse Zeit der Überlegung und zur Einholung des Rats eines Rechtsanwalts zu. Innerhalb welcher Zeitspanne der Arbeitnehmer die Kündigung zurückweisen muss, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Nach einer Zeitspanne von mehr als einer Woche ist die Zurückweisung aber ohne Vorliegen besonderer Umstände des Einzelfalls nicht mehr unverzüglich. Die Frist beginnt mit der tatsächlichen Kenntnis von der Kündigung.

Ordentliche Kündigung außerhalb des Geltungsbereichs des KSchG

BAG Urteil vom 05.12.2019, 2 AZR 107/19

Eine außerhalb des betrieblichen Geltungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes (§ 23 Abs. 1 KSchG) erklärte Kündigung kann wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB) oder Treuwidrigkeit (§ 242 BGB) unwirksam sein.

Ein Rechtsgeschäft ist sittenwidrig gem. § 138 Abs. 1 BGB, wenn es nach seinem Inhalt oder Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspricht. Verstößt eine an sich neutrale Kündigung nicht bereits seinem Inhalt nach gegen die grundlegenden Wertungen der Rechts- oder Sittenordnung, muss ein persönliches Verhalten des Handelnden hinzukommen, welches diesem zum Vorwurf gemacht werden kann. Hierfür genügt es im Allgemeinen nicht, dass vertragliche Pflichten verletzt werden. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit des Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln oder der zutage tretenden Gesinnung ergeben kann.

Der Grundsatz von Treu und Glauben gem. § 242 BGB bildet eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung. Eine gegen diesen Grundsatz verstoßende Ausnutzung einer Rechtslage ist wegen der darin liegenden Rechtsüberschreitung unzulässig. Die Vorschrift des § 242 BGB ist aber auf Kündigungen neben § 1 KSchG nur in beschränktem Umfang anwendbar. Das Kündigungsschutzgesetz hat die Voraussetzungen und Wirkungen des Grundsatzes von Treu und Glauben konkretisiert und abschließend geregelt, soweit es um den Bestandsschutz und das Interesse des Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes geht. Eine Kündigung verstößt deshalb nur dann gegen § 242 BGB, wenn sie Treu und Glauben aus Gründen verletzt, die von § 1 KSchG nicht erfasst sind.

Es geht im Rahmen der Generalklauseln der §§ 138, 242 BGB darum, Arbeitnehmer vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen zu schützen. Der Willkürvorwurf scheidet deshalb aus, wenn ein irgendwie einleuchtender Grund für die Rechtsausübung vorliegt.

Verhaltensbedingte Kündigung wegen Bedrohung des Personalleiters

LAG Baden-Württemberg Urteil vom 21.01.2020, 8 Sa 30/19

Eine verhaltensbedingte Kündigung wegen Bedrohung ist ohne Abmahnung regelmäßig unwirksam. Bedroht ein Arbeitnehmer den Personalleiter und/oder andere Arbeitnehmer mit den Worten „Ich mach Sie fertig! Sie sind sehr mutig, sich mit mir anzulegen!“ und/oder „Sie krieg ich auch noch!“ rechtfertigt dies alleine eine Kündigung nicht.

Die Kündigung ist im Arbeitsverhältnis ultima ratio und kann nur das letzte Mittel sein. Der Arbeitgeber muss zunächst versuchen, das arbeitsvertragswidrige Verhalten des Arbeitnehmers mit einer Abmahnung zu beanstanden und ihm für den Fall der Wiederholung negative Rechtsfolgen androhen. Von diesem Grundsatz gibt es nur wenige Ausnahmen.

Verhaltensbedingte Kündigung wegen Ehrverletzung des Arbeitgebers

BAG Urteil vom 05.12.2019, 2 AZR 240/19

Grobe Beleidigungen des Arbeitgebers, seiner Vertreter und von Arbeitskollegen stellen eine erhebliche Pflichtverletzung dar, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten und deshalb auch eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen können. Zwar dürfen Arbeitnehmer Kritik am Arbeitgeber, ihren Vorgesetzten und den betrieblichen Verhältnissen üben und sich dabei auch überspitzt äußern. In grobem Maße unsachliche Angriffe, die zur Untergrabung der Position eines Vorgesetzten führen können, muss der Arbeitgeber aber nicht hinnehmen. Schmähkritik genießt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht den Schutz von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Eine Kritik, die überzogen, ausfällig und ungehörig ist aber im Zusammenhang mit konkreten Situationen steht, stellt jedoch keine Schmähkritik dar.

Ein Arbeitnehmer kann sich für bewusst falsche Tatsachenbehauptungen nicht auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 GG berufen. Solche Behauptungen sind vom Schutzbereich des Grundrechts nicht umfasst. Anderes gilt für Äußerungen, die nicht Tatsachenbehauptungen, sondern ein Werturteil enthalten. Sie fallen in den Schutzbereich des Rechts auf Meinungsfreiheit. Dasselbe gilt für Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen, sofern sie durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind. Der Grundrechtsschutz besteht dabei unabhängig davon, welches Medium der Arbeitnehmer für seine Meinungsäußerung nutzt und ob diese rational oder emotional, begründet oder unbegründet ist. Vom Grundrecht der Meinungsfreiheit umfasste Äußerungen verlieren den sich daraus ergebenden Schutz selbst dann nicht, wenn sie scharf oder überzogen geäußert werden. Bei der Frage, ob eine Äußerung ihrem Schwerpunkt nach als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil anzusehen ist, kommt es entscheidend auf den Gesamtkontext der fraglichen Äußerung an.

Die Abgrenzung zwischen Werturteilen und Tatsachenbehauptungen kann im Einzelfall schwierig sein, vor allem deshalb, weil die beiden Äußerungsformen nicht selten miteinander verbunden werden und erst gemeinsam den Sinn einer Äußerung ausmachen. In solchen Fällen ist der Begriff der Meinung im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes weit zu verstehen: Sofern eine Äußerung, in der Tatsachen und Meinungen sich vermengen, durch die Elemente der Stellungnahme des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind, wird sie als Meinung von dem Grundrecht geschützt. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufhöbe oder verfälschte. Das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG ist allerdings nicht schrankenlos gewährleistet, sondern gemäß Art. 5 Abs. 2 GG durch die allgemeinen Gesetze und das Recht der persönlichen Ehre beschränkt. Mit diesen muss es in ein ausgeglichenes Verhältnis gebracht werden.

Zugang der Kündigung bei Einwurf in Briefkasten

BAG Urteil vom 22.08.2019, 2 AZR 111/19

Nach ständiger BAG- und BGH-Rechtsprechung geht eine verkörperte Willenserklärung unter Abwesenden gem. § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB zu, wenn sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt ist und für diesen unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von ihr Kenntnis zu nehmen. So bewirkt der Einwurf in einen Briefkasten den Zugang, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist. 

Dabei ist nicht auf die individuellen Verhältnisse des Empfängers abzustellen. Im Interesse der Rechtssicherheit ist vielmehr eine generalisierende Betrachtung geboten. Die Frage nach einer Verkehrsanschauung kann regional unterschiedlich zu beurteilen sein und die Antwort kann sich im Lauf der Jahre ändern.

Außerordentliche Kündigung wegen vorsätzlich falscher Pflegedokumentation

Arbeitsgericht Siegburg Urteil vom 07.08.2019, 3 Ca 992/19

Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, ist geeignet, einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darzustellen. Der Arbeitgeber muss auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit seiner Arbeitnehmer vertrauen können. Dies gilt auch, wenn die Pflegedokumentation durch eine Pflegekraft vorsätzlich falsch geführt wird.

Überträgt der Arbeitgeber den Nachweis der geleisteten Arbeitszeit auf den Arbeitnehmern und füllt dieser die dafür zur Verfügung gestellten Formulare wissentlich und vorsätzlich falsch aus, so stellt dies einen schweren Vertrauensmissbrauch dar. Dies gilt insbesondere, wenn der Arbeitnehmer zuvor eine Abmahnung erhalten hat.

Außerordentliche Kündigung wegen langjähriger Alkoholerkrankung

LAG Berlin-Brandenburg Urteil vom 24.7.2019, 15 Sa 2498/18

Bei einer langjährigen Alkoholerkrankung mit entsprechenden Ausfallzeiten (rund 980 Tage Arbeitsunfähigkeit innerhalb von 4 Jahren) und gescheiterten Entwöhnungsversuchen kann eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist gem. § 626 BGB gerechtfertigt sein. Voraussetzung ist, dass eine negative Gesundheitsprognose vorliegt, aufgrund der die prognostizierten Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen werden und infolge der gebotenen Interessenabwägung die Beeinträchtigung vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden muss.

Die Wirksamkeit der krankheitsbedingten Kündigung ist auf 3 Stufen zu prüfen: Zunächst ist eine negative Gesundheitsprognose erforderlich, wobei vergangene Erkrankungen indizielle Bedeutung haben. Weiter müssen die prognostizierten Fehlzeiten geeignet sein, eine krankheitsbedingte Kündigung zu rechtfertigen. Dies ist der Fall, wenn sie zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. Zuletzt ist entscheidend, dass die Beeinträchtigung vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden muss.

Frist zur Anhörung vor außerordentliche Kündigung

BAG Beschluss vom 27.06.2019, 2 ABR 2/19

Soll vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung der Kündigungsgegner angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Die Frist darf im Allgemeinen nicht mehr als eine Woche nach Bekanntwerden von Anhaltspunkten für den Kündigungssachverhalt betragen und nur bei vorliegen besonderer Umstände überschritten werden.

Kündigung sofort nach Eingang der Massenentlassungsanzeige zulässig

BAG Urteil vom 13.06.2019, 6 AZR 459/18

Die Massenentlassungsanzeige gem. § 17 Abs. 1 KSchG kann auch dann wirksam erstattet werden, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt ihres Eingangs bei der Agentur für Arbeit bereits zur Kündigung entschlossen ist. Kündigungen sind daher - vorbehaltlich der Erfüllung sonstiger Kündigungsvoraussetzungen - wirksam, wenn die Anzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit eingeht, bevor dem Arbeitnehmer das Kündigungsschreiben zugegangen ist. Das Anzeigeverfahren dient beschäftigungspolitischen Zwecken. Die Agentur für Arbeit soll rechtzeitig über eine bevorstehende Massenentlassung unterrichtet werden, um sich auf die Entlassung einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern vorzubereiten und ihre Vermittlungsbemühungen darauf einzustellen. Das setzt voraus, dass bereits feststeht, wie viele und welche Arbeitnehmer konkret entlassen werden sollen. Auf den Willensentschluss des Arbeitgebers zur Kündigung kann, soll und will die Agentur für Arbeit keinen Einfluss nehmen. Die Kündigung darf allerdings erst dann erfolgen, d.h. dem Arbeitnehmer zugehen (§ 130 Abs. 1 BGB), wenn die Massenentlassungsanzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit eingegangen ist.

Kein Widerruf von Aufhebungsverträgen

BAG Urteil vom 07.02.2019, 6 AZR 75/18

Ein Arbeitnehmer kann einen Aufhebungsvertrag auch dann nicht widerrufen, wenn er in seiner Privatwohnung abgeschlossen wurde. Ein Aufhebungsvertrag kann jedoch unwirksam sein, falls er unter Missachtung des Gebots fairen Verhandelns zustande gekommen ist.

Der Widerruf eines arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrags ist nicht möglich ist. Der Gesetzgeber hat zwar in § 312 Abs. 1 i.V.m. § 312g BGB Verbrauchern bei Verträgen, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen worden sind, ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB eingeräumt. Auch Arbeitnehmer sind Verbraucher. Im Gesetzgebungsverfahren ist jedoch der Wille des Gesetzgebers deutlich geworden, arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge nicht in den Anwendungsbereich der §§ 312 ff. BGB einzubeziehen.

Das Gebot fairen Verhandeln wird verletzt, wenn eine Seite eine psychische Drucksituation schafft, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags erheblich erschwert. Dies könnte dann der Fall sein, wenn eine krankheitsbedingte Schwäche bewusst ausgenutzt wird. Die andere Seite müsste dann den Zustand herstellen, der ohne die Pflichtverletzung bestünde  (Naturalrestitution, § 249 Abs. 1 BGB). Dies führt zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.

Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung bei Kündigung

BAG Urteil vom 13.12.2018, 2 AZR 378/18

Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen, die ein Arbeitgeber ohne Anhörung der Schwerbehindertenvertretung ausspricht, ist gem. § 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX unwirksam.

Der erforderliche Inhalt der Anhörung und die Dauer der Frist für eine Stellungnahme der Schwerbehindertenvertretung richten sich nach den für die Anhörung des Betriebsrats geltenden Grundsätzen gem. § 102 BetrVG. Die Kündigung ist nicht allein deshalb unwirksam, weil der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung entgegen § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX nicht unverzüglich über seine Kündigungsabsicht unterrichtet oder ihr das Festhalten an seinem Kündigungsentschluss nicht unverzüglich mitgeteilt hat.

Aufhebung des Arbeitsverhältnisses wegen wahrheitswidrigem Prozessvortrag

BAG Urteil vom 24.05.2018, 2 AZR 73/18

Auch das Verhalten des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess kann die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gem. § 9 Abs. 1 Satz 2, § 10 KSchG rechtfertigen. Die Parteien dürfen zwar alles vortragen, was prozesserheblich sein kann. Das gilt aber nur in den Grenzen der Wahrheitspflicht. Die Parteien dürfen auch insbesondere nicht leichtfertig Tatsachenbehauptungen aufstellen, deren Unhaltbarkeit ohne Weiteres auf der Hand liegt.

Bewusst wahrheitswidriger Prozessvortrag eines Arbeitnehmers (oder seines Rechtsanwaltes) in einem Kündigungsrechtsstreit ist geeignet, eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Einordnung an. Ein Arbeitnehmer, der bewusst falsch vorträgt, um sich einen Vorteil im Rechtsstreit mit seinem Arbeitgeber zu verschaffen, verletzt in erheblicher Weise seine nach § 241 Abs. 2 BGB auch im gekündigten Arbeitsverhältnis bestehende Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers - ungeachtet der strafrechtlichen Relevanz seines Handelns. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob der wahrheitswidrige Vortrag letztlich für das Gericht entscheidungserheblich ist. Ausreichend ist, dass er es hätte sein können.

Fristlose Kündigung eines LKW-Fahrers wegen Konsum von Drogen

BAG Urteil vom 20.10.2016, 6 AZR 471/15

Ein Berufskraftfahrer darf seine Fahrtüchtigkeit nicht durch die Einnahme von Drogen (Amphetamin und Methamphetamin) gefährden. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung kann die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Es macht dabei keinen Unterschied, ob die Droge vor oder während der Arbeitszeit eingenommen wurde. Bei der Interessenabwägung sind insbesondere die sich aus der Einnahme von Drogen für die Tätigkeit eines Berufskraftfahrers typischerweise ergebenden Gefahren zu beachten. Ob die Fahrtüchtigkeit konkret beeinträchtigt war und deshalb eine erhöhte Gefahr im Straßenverkehr bestand, ist unerheblich.

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